Warum ein Wasserturm schwer zu löschen ist
Eigentlich ging es den Bürgern Warens am Ausgang des neunzehnten Jahrhunderts, als noch kein Wasser „aus der Wand“ kam, als mit Kerzen und Öl geleuchtet und mit Holz und Torf geheizt wurde, nicht schlecht in Hinblick auf ihre Wasserversorgung: mit Tiefwarensee, Müritz und Feisneck lagen große Wasserreservoire direkt vor ihrer Haustür. Darüber hinaus gab es über 20 öffentliche Brunnen und manche Hausgrundstücke besaßen sogar ihre eigene Wasserversorgung. Dennoch führte die rasante Bevölkerungsentwicklung der Stadt dazu, dass die bestehenden Brunnen den Anforderungen nicht mehr gewachsen waren; auch die Qualität des Wassers ließ in hygienischer Hinsicht immer mehr zu wünschen übrig. Außerdem leitete in einigen anderen Städten die Ingenieurskunst das Wasser bereits direkt in die Häuser.
Dies sollte endlich auch in Waren der Fall sein, als am 13. Mai 1896 Bürgermeister Schlaaff zusammen mit seinen Senatoren beschloss, einen „Contract zu vollziehen […] betreffend die Aufstellung eines Kanalisations-Projectes“ – mit dem Ingenieur Heinrich Scheven aus Bochum als Vertragspartner der Wahl. Die Bauarbeiten des Wasserwerks starteten rasch und gingen zügig voran. Bereits am 2. Juli 1896 berichtete der Mecklenburger Anzeiger über Bohrlöcher in der Nähe der Feisneck, welche die Qualität des dortigen Grundwassers zu bestimmen halfen. Am 10. März 1897 stellte Scheven auf einer Versammlung des Bürgervereins Konzept und Stand des Projektes vor, was die Warener Zeitung veranlasste zu berichten: „Bemerkenswert ist, daß der Wasserturm, der ja bekanntlich auf dem Nesselberg erbaut wird und gleichzeitig als Aussichts-Plattform dienen soll, eine Höhe von 35 m, die Galerie eine solche von 17 m – von der Plattform des Nesselbergs an gerechnet – erhalten wird.“
Am 1. November 1897 war es dann so weit: das Wasserwerk am Nesselberg ging in Betrieb und mit ihm der Wasserturm, der von weit her sichtbar die noch niedrigen Bäume stolz überragte. Durch von Dampfmaschinen angetriebene Pumpen wurde das Wasser aus acht Rohrbrunnen, jeweils 12 m tief, gefördert. Wurde es nicht gleich in das Stadtnetz eingespeist, speicherte man das Wasser in dem 280 m von der Pumpstation errichteten Wasserturm – genauer gesagt, in dessen schmiedeeisernem Behälter, der auf einem ca. 14 m hohen, massiven Unterbau stand. Von hier aus wurden die 209 Hausanschlüsse, die im Jahr der Inbetriebnahme existierten, versorgt; darunter das Rathaus am Neuen Markt, das Städtische Schlachthaus in der Chausseestraße, das Feierabendhaus für Lehrerinnen in der Denkmalstraße und das Großherzogliche Steueramt. Der Wasserpreis betrug für Private 30 Pfennig pro Kubikmeter (mindestens aber 1 Mark pro Monat) und 10 Pfennig pro Kubikmeter für die Stadt. Der Ingenieur Heinrich Scheven, der ganz allein die auf 240.000 Mark veranschlagten Baukosten von Wasserwerk und Kanalisation trug und auch das damit verbundene wirtschaftliche Risiko, erhielt dafür im Gegenzug eine exklusive Betriebskonzessison über 50 Jahre. Bereits am 1. September 1898 verkaufte er jedoch sein Werk für 225.000 Mark an die Deutsche Wasserwerke AG in Berlin.
Am 11. Januar 1900 setzte ein glühendes Ofenrohr der unter dem Wassertank gelegenen Wohnung die Holzkonstruktion des Wasserturms in Brand. Die handbetriebenen Pumpen der Feuerwehr ermöglichten nur schwerlich die Förderung des Wassers auf die benötigte Höhe des Fachwerks, weswegen die Zerstörung des Wasserturms – nur etwa zwei Jahre nach seiner Inbetriebnahme – nicht zu verhindern war. Natürlich sorgte das kuriose Ereignis des Abbrennens eines Wasserturms mancherorts für Spott und Häme. Diese fanden zum Beispiel in der Veröffentlichung einer Skizze des Kunststudenten Ulrich Kähler in einer Münchner Satirezeitschrift Ausdruck, die später auch als Postkarte (siehe Abbildung) vertrieben wurde.
Der heutige, auf dem Nesselberg stehende Wasserturm mit seinem schiefergedeckten Zeltdach wurde kurz nach dem Brand wieder aufgebaut. Das vollunterkellerte Bauwerk besaß ursprünglich drei oberirdische Geschosse mit Wohn- und Lagerräumen sowie den darüber befindlichen, mit Fachwerk ummauerten, Wasserbehälter. Dieser hatte – wie auch schon sein Vorgänger – ein Fassungsvermögen von 175 Kubikmeter. Eine, in einem schlanken Nebenturm untergebrachte, gusseiserne Spindeltreppe verband alle Geschosse miteinander.
Am 1. Juli 1919 verkaufte die Deutsche Wasserwerke AG, Berlin das Wasserwerk (und damit den Wasserturm) für 500.000 Mark an die Stadt Waren. Zwischen 1926 und 1928 wurden die alten Dampfkolbenpumpen schrittweise gegen von Dieselmotoren angetriebene Kolbenpumpen ersetzt, denen bereits ab 1929 elektrisch betriebene Kreiselpumpen folgten.
Der durch die Einwirkungen des Zweiten Weltkriegs schwer beschädigte Wasserturm wurde erst 1953 wiederhergestellt. Bis zu seiner Stilllegung zehn Jahre später versorgte er die Stadt Waren mit Wasser und wurde noch bis in die 1990er Jahre bewohnt.
Im Frühjahr 2010 erwarb unsere Genossenschaft, die BEWAHREN Ferienhaus eG, den Wasserturm und begann noch im selben Jahr mit seinem Umbau. Weitere Informationen zum Umbau nebst Fotos finden Sie auf der folgenden Seite.
Aus: “135 Jahre Gaswerk 1862-1996, 100 Jahre Wasserwerk 1897-1997 in Waren (Müritz), Festschrift Stadtwerke Waren GmbH”, Jürgen Kniesz, Friedrich-Wilhelm Kruse (Autoren), Stadtwerke Waren GmbH (Herausgeber), Waren 1997